Die Corona-Krise hat der Digitalisierung einen gewaltigen Schub verliehen. Die gravierenden Einschnitte in die Lebens- und Arbeitspraxis zwangen dazu, schnell neue digitale Lösungen umzusetzen. Das betrifft auch und insbesondere die Kommunen, die flexibel und digital reagieren mussten, um die kommunale Daseinsvorsorge, die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit grundlegenden Leistungen, aufrechtzuerhalten. Nach der Corona-Krise wird die kommunale Daseinsvorsorge noch mehr durch die digitale Transformation geprägt sein. Der Begriff „Smart City“ ist mehr als ein modisches Etikett, sondern bietet als Konzept die Basis und die Chance, die Digitalisierung nicht als Selbstzweck zu begreifen, sondern als Mittel, um die Vielen im Prozess der digitalen Transformation in den Fokus zu rücken. Die Technologie muss den Menschen dienen, nicht umgekehrt.
Fair geht mehr: Kommunale Teilhabe an der Datenökonomie
Während die einzelne Erfassung und intelligente Nutzung von Daten bereits sehr lange existiert, besteht der entscheidende Schritt zu einer Smart City in der Verknüpfung von Daten zu einem Gesamtbild. Dieses kann zu einer sozialen, nachhaltigen und klimagerechten Entwicklung für die Vielen beitragen, das Zusammenwachsen der Gesellschaft stärken und somit das Leben der Menschen verbessern.
Die von Städten und Gemeinden gesammelten Daten haben in diesem Zusammenhang einen enormen Wert. Während dieser den Kommunen nicht immer bewusst ist, hat die Privatwirtschaft den Wert von Daten bereits erkannt und sieht darin ein wachsendes Geschäftsfeld. Dies kann dazu führen, dass Verhandlungen zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Kommunen und der Privatwirtschaft nicht auf Augenhöhe stattfinden. Infolgedessen entstehen Verträge mit Datennutzungsklauseln, durch die öffentlich erhobene Daten zu privaten Unternehmen wandern, eine Verwertung durch die Kommunen ist hingegen nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Smart City-Verträge zwischen Kommunen und privaten Anbietern schränken Erstere somit häufig in ihrer Datensouveränität ein.
Neben einem geringer ausgeprägten Bewusstsein für den Wert von Daten kann auch eingeschränkter finanzieller Spielraum zu einer schwachen Verhandlungsposition der Kommunen bei der wirtschaftlichen Nutzung ihrer Daten führen. Infolgedessen sind sie eher bereit, die Hoheit über Daten an private Unternehmen abzutreten. Während finanziell solide ausgestattete Kommunen Smart-City-Leistungen über den Haushalt finanzieren können, müssen finanzschwache Städte und Gemeinden mit den Daten ihrer Bürgerinnen und Bürger zahlen.
Fair geht mehr: Es ist daher dringend notwendig, dass Kommunen gemeinsam eine übergeordnete Datenstrategie entwickeln – auch um zu ermöglichen, dass Dateneigner zukünftig an der Wertschöpfung durch die Datenökonomie partizipieren. Für die Kommunen könnten auf Basis der Datenstrategie Muster-Formulierungen entstehen, die für alle Kommunen und ihre Töchter verbindlich sind. So hätten Verwaltungen eine Blaupause, auf der sie ihre Datensouveränität aufbauen könnten, wodurch das Selbstbewusstsein aller Kommunen in Verhandlungen mit der Privatwirtschaft gestärkt würde. In diesem Kontext ist es außerdem wichtig, dass die Kommunen volle Zugriffsrechte auf die Rohdaten von Smart-City-Diensten erhalten. Insbesondere bei Künstlicher Intelligenz, deren Nutzung auch für die Öffentliche Verwaltung wichtiger werden wird, ist die Datennutzung von großer Bedeutung, z.B. für die Entwicklung von Mobilitätskonzepten.
Folgerichtig ist der Umgang mit kommunalen Daten ein strategisches Querschnittsthema. Es ist die Grundlage für die Digitalisierung der Verwaltungsarbeit und wird entscheidend dafür sein, wie schnell sich Abläufe modernisieren lassen. Im Ergebnis werden Kommunen die mit diesen Daten verknüpften Vorteile der Digitalisierung nur nutzen können, wenn sie sich nicht in langfristige Abhängigkeiten von der Privatwirtschaft begeben.
Eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung von Smart Cities spielt zudem die frühzeitige und umfassende Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Darauf aufbauend können Kooperationen von Städten, Stadtwerken und Unternehmen entstehen, wodurch auch das Einbeziehen innovativer Ideen von Start-ups und das Knüpfen von Expertennetzwerken ermöglicht wird. Alleine durch das kontinuierliche und systematische Zusammenspiel aller beteiligten Interessengruppen werden solche umfangreichen Projekte erfolgreich gestaltet. Dabei sind Datenschutz, -souveränität und -sicherheit sowie die Ablehnung von Massenüberwachung als grundlegende Prinzipien zu berücksichtigen.
Smart City in der Praxis
Modernisierung der Öffentlichen Verwaltung
Nicht zuletzt die Corona-Krise hat bewiesen, dass die öffentliche Verwaltung und kommunale Unternehmen das Potenzial haben, ein Vorreiter des digitalen Wandels zu sein. Der damit verbundene Kulturwandel sowie die Herausforderungen der digitalen Transformation erzeugen komplexe Fragestellungen, deren Lösung häufig nur durch agilere Arbeit und dynamische Organisationsstrukturen möglich ist. Verwaltung und Unternehmen müssen ihre organisatorischen Strukturen daher auf die erweiterten neuen Erfordernisse einstellen und etwa das E-Government konsequent vorantreiben.
Um die digitalen Fertigkeiten der Mitarbeitenden zu stärken, müssen Weiterbildungskonzepte unter Beteiligung der Beschäftigten realisiert werden, damit niemand durch den digitalen Wandel abgehängt wird. Dazu können etwa auch Ideenwerkstätten genutzt werden, in denen die Beschäftigten persönliche Erfahrungen einbringen können.
Eine bürgerfreundliche öffentliche Verwaltung muss digitale Dienstleistungen schnell und unkompliziert zur Verfügung stellen. Insellösungen in einzelnen Kommunen müssen vermieden werden. Vielmehr bedarf es kohärenter und bürgerfreundlicher Konzepte. E-Government, das von den Menschen aus gedacht ist, muss über ein zentrales Portalangebot anspruchsvolle Funktionen bereitstellen, zum Beispiel Authentifizierungsverfahren oder sichere Bezahldienste.
Selbstverständlich ist zu berücksichtigen, dass längst nicht alle Menschen digital so affin sind, dass sie Verwaltungsleistungen selbstständig online erledigen können. Gerade viele ältere Menschen, die z.B. noch kein Smartphone besitzen, werden auch in absehbarer Zeit Behördengänge nicht online erledigen können, ohne dafür Unterstützung zu haben. Die Digitalisierung wird aber nur dann erfolgreich sein, wenn niemand auf dem Weg in die digitale Gesellschaft zurückgelassen wird. Deshalb müssen Verwaltungsangebote auch in Zukunft, parallel zu digitalen Leistungen, analog zur Verfügung stehen. Des Weiteren braucht es flächendeckende Angebote, die alle Bürgerinnen und Bürger fit für das digitale Zeitalter machen und mit entsprechenden Kompetenzen ausstatten, um Teilhabe für die Vielen sicherzustellen.
Kommunale Daseinsvorsorge
In einer vernetzen Stadt spielen alle Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge eine große Rolle. Für die Energieeffizienz einer Smart City kann etwa die Beleuchtung eine wesentliche Rolle spielen. Die Vernetzung und individuelle Steuerung von Straßenleuchten ermöglicht es Kommunen, das Straßenlicht je nach Bedarf mithilfe von Software in ganzen Stadtteilen oder einzelnen Straßen ein- und auszuschalten oder das Licht zu dimmen. Straßenlaternen, die mit Bewegungssensoren ausgestattet sind, können die Helligkeit erhöhen, wenn ein Auto oder Fußgänger sie passiert. Ist niemand unterwegs, wird die Leuchte gedimmt, wodurch der Energieverbrauch sinkt. Mittels weiterer Sensoren können freie Parkplätze gemeldet oder Umweltdaten gesammelt werden.
Im Mobilitätssektor können Daten für die Bürgerinnen und Bürger nutzbar gemacht werden, indem beispielsweise über Apps aufgezeigt wird, wie die Menschen über verschiedene Verkehrsträger schnell und effizient an ihr Ziel gelangen. Mit einer Mischung aus Car- und Bike-Sharing-Modellen sowie öffentlichem Nahverkehr können optimale individuelle Routen ermittelt werden, die besonders zu Stoßzeiten wie dem Berufsverkehr hilfreich sind. Der Routenvorschlag kann dann, je nach Verkehrssituation, jeden Tag anders aussehen. Je nachdem wie voll die Straßen sind, werden auch Autofahrerinnen und Autofahrer über andere Wege zu ihrem Ziel geleitet, sodass Hauptstraßen entlastet werden. Bürgerinnen und Bürger, die vielleicht dasselbe Ziel haben und eigentlich auf derselben Strecke fahren würden, werden dann über verschiedene Wege dorthin geleitet oder ihnen werden unterschiedliche Abfahrtszeiten vorgeschlagen.
Die Erprobung solcher und vieler anderer Maßnahmen im Rahmen von Projekten ist richtig und wichtig. Jede Kommune muss die für sie spezifischen Handlungsfelder auf dem Weg zu einer Smart City selbst entdecken. Das Land muss den Kommunen bei der Gestaltung und Entwicklung individueller Smart-City-Strategien zur Seite stehen und sowohl finanzielle Mittel als auch Wissen bereitstellen. Vor diesem Hintergrund ist die Strategie der Landesregierung, die Ergebnisse lediglich weniger digitaler Modellkommunen auf die vielen anderen Kommunen im Land schlichtweg zu übertragen, kritisch zu hinterfragen. Während Formen der Standardisierung von Prozessen im Bereich der öffentlichen Verwaltung sicher zu begrüßen sind, ist ein pauschales Überstülpen der Ergebnisse von Modellprojekten auf alle Städte und Gemeinden nicht immer der richtige Weg. Im Sinne einer Smart City für die Vielen muss deshalb die spezifische Entwicklung jeder Kommune sichergestellt werden.
Unsere Positionen zur digitalen Daseinsvorsorge
1. Die Grundlage der digitalen Daseinsvorsorge für die Vielen ist die Verfügbarkeit einer leistungsfähigen technischen Infrastruktur. Der Gigabit-Ausbau wie auch der Mobilfunk mit 5G-Geschwindigkeit sind daher flächendeckend sicherzustellen.
2. Nur die alleinige Datenhoheit ermöglicht es Städten und Gemeinden, den wertvollen Datenschatz zum Vorteil ihrer Bürgerinnen und Bürger einzusetzen. Dafür bedarf es einer übergeordneten Datenstrategie der Kommunen. Ihre Datensouveränität darf zudem nicht durch die finanzielle Situation bestimmt werden. Auch im Sinne der digitalen Daseinsvorsorge zeigt sich daher der dringende Bedarf für eine auskömmliche Kommunalfinanzierung sowie einen Altschuldenfonds.
3. Agile Strukturen und Methoden in der öffentlichen Verwaltung und in kommunalen Unternehmen müssen im Rahmen von Pilotvorhaben gefördert werden. Damit kann ein Kulturwandel angestoßen werden, um den Herausforderungen des digitalen Wandels zu begegnen. Dabei müssen die Beteiligung wie auch die Weiterbildung der Beschäftigten gewährleistet sein. Sie sind es wert!
4. Eine bürgerfreundliche öffentliche Verwaltung muss digitale Dienstleistungen schnell und unkompliziert zur Verfügung stellen. E-Government, das von den Menschen her gedacht ist, muss über ein zentrales Portalangebot anspruchsvolle Funktionen bereitstellen. Hier ist das Land gefordert, angekündigte Hilfen, wie den Förderfonds „K-400 – Kommunal wird Digital“, endlich auf den Weg zu bringen. Ferner müssen proaktive Beratungsangebote für die Kommunen geschaffen werden, um Wissen und Kompetenzen über Daten zu stärken.
5. Das Land muss den Kommunen bei der Gestaltung individueller Smart-City-Strategien zur Seite stehen und sowohl finanzielle Mittel als auch Wissen bereitstellen. Der Individualität und Vielfalt der kommunalen Gemeinschaft muss über spezifische Entwicklungskonzepte Rechnung getragen werden.